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Michael R. | 7. Juli 2025

In der Trauer nicht allein: Wie Sie sich und Ihre Familie vor Betrug schützen

Wer jemanden verloren hat und trauert, ist nicht nur emotional, sondern auch organisatorisch stark gefordert. Es ist eine Ausnahmesituation, in der man verletzlich ist – und leider gibt es Menschen, die genau das ausnutzen. Kriminelle nehmen gezielt trauernde Familien ins Visier, um sie um Geld und persönliche Daten zu betrügen.

Dieser Artikel soll Ihnen keine Angst machen, sondern Ihnen das nötige Wissen an die Hand geben. Wir zeigen Ihnen, wie Sie Betrugsmaschen erkennen, sich und Ihre Familie wirksam schützen und wo Sie im Ernstfall professionelle Hilfe finden.

Die Maschen der Betrüger: Warum Trauernde ins Visier geraten

Betrüger handeln kalkuliert. Sie wissen, dass Trauer, Stress und Erschöpfung die Urteilskraft schwächen und Menschen anfälliger für Manipulation machen. Ihre Taktik setzt genau dort an. Die Zahlen sind alarmierend: Allein im Jahr 2024 registrierten die Schweizer Behörden 34'392 Betrugsfälle, wobei 80% digitale Methoden nutzten.

  • Die emotionale Ausnahmesituation: Wer trauert, hat den Kopf nicht frei, um Rechnungen und Anrufe misstrauisch zu prüfen. Betrüger nutzen diese Belastung gezielt aus. Eine Studie von Pro Senectute zeigt, dass gerade ältere Menschen häufig Ziel von Betrugsversuchen sind, was die Situation bei einem Todesfall zusätzlich verschärft.
  • Öffentliche Informationen als Quelle: Eine Traueranzeige ist ein wichtiger Teil des Abschieds. Doch sie kann Namen, Adressen und Beziehungen offenlegen, die Kriminelle für ihre Zwecke missbrauchen.
  • Der finanzielle Anreiz: Mit jährlichen Erbschaften von rund 100 Milliarden Franken ist die Schweiz ein attraktives Ziel für Betrüger, die auf einen Teil des Nachlasses hoffen.

Gefälschte Rechnungen an die Traueradresse

Dies ist eine der perfidesten Methoden. Betrüger durchsuchen systematisch Todesanzeigen nach "Traueradressen". Kurz darauf versenden sie gefälschte Rechnungen für angebliche Dienstleistungen oder Schulden des Verstorbenen – von erfundenen Handwerkerkosten über unbezahlte Abonnements bis hin zu angeblichen Vereinsbeiträgen. Sie spekulieren darauf, dass die Angehörigen in ihrer Trauer die Rechnung ungeprüft aus dem Nachlass bezahlen. Ein solches Vorgehen fällt unter den Straftatbestand des Betrugs nach Art. 146 StGB.

Digitaler Betrug und Identitätsdiebstahl

Kriminelle nutzen die Digitalisierung für ihre Zwecke. Sie rufen als angebliche Mitarbeiter des Bestattungsunternehmens oder einer Behörde an und fordern unter Druck sofortige Zahlungen. Eine andere Gefahr ist der Identitätsdiebstahl: Mit Daten aus der Todesanzeige (vollständiger Name, Geburtsdatum) schliessen die Täter online Verträge ab oder bestellen Waren auf den Namen des Verstorbenen oder der Hinterbliebenen.

Gut zu wissen: Seit dem 1. September 2023 ist der Missbrauch einer fremden Identität in der Schweiz nach Art. 179decies StGB explizit strafbar.

Wucher bei Bestattungsdiensten

Die überwältigende Mehrheit der Bestatter arbeitet seriös und einfühlsam. Dennoch gibt es schwarze Schafe, die die Notlage von Trauernden ausnutzen. Ein prominenter Fall aus den Jahren 2020-2021 zeigte, wie skrupellos vorgegangen wird. Der damals als "jüngster Bestattungsunternehmer der Schweiz" bekannte Bestatter wurde beschuldigt, Familien mit unklaren "Pauschalpaketen" gelockt und später horrende Zusatzgebühren verlangt zu haben. In einigen Fällen weigerte er sich sogar, die Verstorbenen freizugeben, bis die überhöhten Rechnungen bezahlt waren. Ein solches Ausnutzen einer Notlage kann den Tatbestand des Wuchers (Art. 157 StGB) erfüllen. Holen Sie sich bei Unsicherheiten immer eine Zweitmeinung ein und verlangen Sie einen detaillierten Kostenvoranschlag. Mehr zu den üblichen Kosten erfahren Sie in unserem Artikel "Was kostet eine Beerdigung?".

Warnsignale: So erkennen Sie einen Betrugsversuch

Betrüger folgen oft einem ähnlichen Muster. Achten Sie auf diese typischen Warnsignale:

  • Zeitdruck und Drohungen: Sie werden unter Druck gesetzt, sofort zu handeln oder zu bezahlen ("Wenn Sie nicht sofort überweisen, ...").
  • Emotionale Manipulation: Der Anrufer oder Absender versucht, Mitleid, Angst oder ein schlechtes Gewissen zu erzeugen.
  • Ungewöhnliche Zahlungswege: Sie werden aufgefordert, Geld ins Ausland zu überweisen oder Rechnungen mit Gutscheinkarten (z.B. von iTunes oder Google Play) oder Kryptowährungen zu begleichen.
  • Unaufgeforderte Kontaktaufnahme: Sie erhalten aus heiterem Himmel Anrufe oder Post zu angeblichen Schulden oder einem Erbe.
  • Vage Angaben: Die Rechnung oder E-Mail enthält keine detaillierten Angaben zur Leistung, keine Kundennummer oder einen unklaren Absender.

Vertrauen Sie Ihrem Instinkt. Viele Betrugsopfer berichten später, dass sie von Anfang an ein ungutes Gefühl hatten. Wie Richard Hess von der Schweizerischen Bankiervereinigung betont, passieren die meisten Betrugsfälle nicht, weil Systeme versagen, sondern weil Menschen manipuliert werden. Wenn Ihnen etwas seltsam vorkommt, ist es das wahrscheinlich auch.

Ihr Schutzschild: Konkrete Schritte zur Prävention

Sie können aktiv dazu beitragen, das Risiko für Ihre Familie zu minimieren. Die wichtigsten Massnahmen betreffen den Umgang mit Informationen und Finanzen.

Das Wichtigste zuerst: Die Traueranzeige sicher gestalten

Ihre Traueranzeige ist ein wichtiges Zeichen des Gedenkens. Mit kleinen Anpassungen erhöhen Sie die Sicherheit erheblich. Verzichten Sie in der öffentlichen Anzeige auf Details, die für Identitätsdiebstahl missbraucht werden können:

  • Das genaue Geburtsdatum (der Jahrgang allein reicht oft aus)
  • Der vollständige Mädchenname der oder des Verstorbenen
  • Der genaue Geburtsort
  • Schützen Sie die Traueradresse: Dies ist der wichtigste Hebel gegen gefälschte Rechnungen. Geben Sie statt Ihrer Privatadresse die Adresse des beauftragten Bestattungsunternehmens an. Bestatter sind geschult, verdächtige Post zu erkennen und fangen diese für Sie ab.

Umgang mit Rechnungen und Forderungen

  • Niemals sofort bezahlen: Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen. Nehmen Sie sich Zeit, jede unerwartete Forderung in Ruhe zu prüfen.
  • Unabhängig überprüfen: Kontaktieren Sie den angeblichen Absender immer über eine offizielle, selbst herausgesuchte Telefonnummer oder Webseite – nutzen Sie niemals die Kontaktdaten, die auf der verdächtigen Rechnung stehen.
  • Vier-Augen-Prinzip: Besprechen Sie unerwartete oder hohe Forderungen immer mit einer zweiten Person aus der Familie oder dem Freundeskreis.

Checkliste: Finanzielle Sofortmassnahmen

Handeln Sie schnell, um die Finanzen des Verstorbenen zu sichern und Missbrauch vorzubeugen. Eine gute Übersicht bietet auch Pro Senectute zum Schutz vor Finanzmissbrauch.

  • Banken und Post informieren: Melden Sie den Todesfall umgehend allen Finanzinstituten, um Konten zu sperren und Vollmachten zu überprüfen.
  • Kreditkarten sperren: Informieren Sie die Kreditkartenunternehmen, um die Karten des Verstorbenen zu deaktivieren.
  • Kreditauskunfteien kontaktieren: Melden Sie den Todesfall bei Kreditauskunfteien (z.B. ZEK, CRIF), um zu verhindern, dass Betrüger im Namen des Verstorbenen neue Kredite aufnehmen.

Eine detaillierte Übersicht über weitere administrative Schritte finden Sie in unserer Checkliste für den Todesfall.

Was tun, wenn es passiert ist? Hilfe und Anlaufstellen

Sollten Sie oder ein Angehöriger Opfer eines Betrugs geworden sein, ist es wichtig, schnell und richtig zu handeln.

Schritt 1: Schämen Sie sich nicht! Jeder kann Opfer werden. Es ist keine Frage von Intelligenz oder Naivität, sondern ein Zeichen für die Professionalität der Täter. Sprechen Sie darüber.

Schritt 2: Erstatten Sie Anzeige. Kontaktieren Sie umgehend Ihre lokale kantonale Polizeistelle. In dringenden Fällen wählen Sie den Notruf 117. Einige Delikte können Sie auch online über Suisse ePolice melden.

Schritt 3: Melden Sie Cyberkriminalität. Betrügerische E-Mails, SMS oder Webseiten sollten Sie immer dem Nationalen Zentrum für Cybersicherheit (NCSC) melden. Damit helfen Sie, andere zu schützen.

Schritt 4: Holen Sie sich Unterstützung.
Sie sind nicht allein. Die Opferhilfe Schweiz bietet in allen Kantonen kostenlose und vertrauliche Unterstützung für Opfer von Straftaten. Das Angebot umfasst Beratung sowie rechtliche, finanzielle und praktische Hilfe – unabhängig davon, ob Sie Anzeige erstattet haben.

Fazit: Wissen schützt

In einer Zeit, in der Sie alle Kraft für die Trauerbewältigung benötigen, sollten Sie sich nicht auch noch vor Betrügern fürchten müssen. Wissen ist der beste Schutz. Indem Sie die gängigen Maschen kennen und vor allem bei der Gestaltung der Traueranzeige und der Sicherung der Finanzen vorsichtig sind, können Sie das Risiko deutlich reduzieren.

Seien Sie wachsam, aber nicht übermässig ängstlich. Prüfen Sie sorgfältig, wem Sie welche Informationen anvertrauen. Und denken Sie daran: Sie müssen diese schwere Zeit nicht allein durchstehen. Zögern Sie nicht, die professionellen und kostenlosen Hilfsangebote in der Schweiz in Anspruch zu nehmen.